Ateliergeschichten: alle wollen so sein wie alle...

Köln, Rheinbrücke mit Liebesschlössern

Älter zu werden bedeutet für mich auch, sich davon zu befreien, sich hauptsächlich über den Beruf zu definieren. Ich liebe meinen Beruf, aber er ist nicht alles, was mich ausmachen soll.

Deshalb schreibe ich ja diesen Blog, der sich "Ateliergeschichten " nennt, aber meistens gar nichts mit meiner Arbeit im Atelier zu tun hat, sondern mit dem ganz normalen, banalen Leben.

Eine Erkenntnis, die sich immer mehr bestätigt, ist jedenfalls, dass der Beruf wenig damit zu tun hat, ob ich jemanden interessant und sympathisch finde, oder nicht.

Ein Architekt kann ein arroganter Schnösel sein und eine Frisörin eine coole Socke.

Ich habe mittlerweile auf so vielen "Kunsthandwerkermärkten" gestanden, dass ich inzwischen weiß, jemand, der tolle, handwerkliche, künstlerische Arbeiten macht, ist deswegen kein netterer Mensch, als eine Basteltante, die, für meinen Geschmack, gruseliges Zeug produziert, aber witzig und kommunikativ ist.

Kürzlich waren mein Mann und ich auf einer Geburtstagsparty eingeladen, auf der wir nur die Gastgeber kannten.

Ich bin leider nur eine durchschnittlich begabte Small Talkerin, erschwerend kam hinzu, dass ich als Fahrerin auf Alkohol verzichten musste.

Worüber redet man also mit Fremden ?

Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, wo Kinder das Hauptthema sind. Fand ich immer voll nervig, sich die Erfolgsstories fremder Kinder, anderer Müttis, anzuhören.

Meine jüngere Schwester, die das ähnlich sieht, würgte jegliche Lobhudelei von Helikoptereltern mit der Bemerkung ab:

"meine Kinder sind ein bisschen doof, aber ich liebe sie trotzdem..." Schon war Ruhe.

 

Jetzt ist man beim Small Talk also wieder bei sich selbst angekommen und landet zwangsläufig (?) beim Beruf.

Stehe ich mit meinem Mann zusammen, muss ich leider immer wieder feststellen, dass Männer sich zu 95 % ihres Interesses am eigenen und an anderen Leben, am Beruf festhalten. (Meinen Mann betrifft das weniger...)

Noch bin ich geduldig, aber ehrlich, es wird nicht mehr lange dauern, und ich grätsche in diese Gespräche voll rein !

Ich habe keine Lust mehr, humorbefreitem Gekreise um den eigenen Nabel zuzuhören. Alle leben in ihrer Blase.

Schlimm ist es bei vielen Lehrern - Schule könnte so schön sein, wären da nicht die begriffsstutzigen Schüler, die blöden Eltern und die nervigen Kollegen. (Anmerkung: für Montessoripädagogen gilt das nicht !)

Bei etlichen "Künstlern" dreht sich alles nur um Ausstellungen: eigene und die anderer, Projekte:  eigene und die anderer, und wie schwer sie es haben...

Ich will das so nicht mehr hören, ich will so nicht sein.

Mich interessiert, wie Leute leben, Urlaub machen, was sie lesen, schauen, denken, wählen (?) - je humorvoller und selbstironischer, desto besser. Es ist doch toll, Gemeinsamkeiten außerhalb des gleichen  beruflichen Dunstkreises festzustellen, oder ?

 

Letztens habe ich einen Fernsehbericht über die Exfrau von Picasso gesehen, Françoise Gilot.

Die Künstlerin, mittlerweile 97 Jahre, sagte, sie habe in ihrem Leben keinen hohen Anspruch an ihre Kunst gehabt, aber immer eine Haltung.

Wie weise.

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Kommentare: 1
  • #1

    Andreas Dach (Sonntag, 05 August 2018 10:53)

    Musste wieder sehr lachen und kann Dich nur bestätigen in den Gesprächen.� Leider musste ich feststellen, das ich manchmal auch in Gespräche verwickelt bin, über welche Märkte und den Verkauf usw.

    Du hast es sehr gut getroffen!�

    Andreaa