„Na, willst du auch mal ein Hippie werden?“, hat mich meine Oma Mitte der Siebziger gefragt. Und ich „ne, bestimmt nicht!“ Oder so ähnlich.
Damals war meine Oma etwa so alt wie ich jetzt und Hippies der Inbegriff all dessen, was sie verachtete.
Also, ich freue mich ja über jeden langhaarigen Kerl, und wünschte, ich hätte den Mumm, mal die Tür eines Barbershops aufzureißen und rein zu rufen „lasst doch mal wachsen, Jungs, sieht doch scheisse aus (eure N…Frisuren)!“
Meiner Oma hätten die gefallen.
Ich hatte dann doch noch eine kleine Hippiephase, trug Nickelbrille, indische Kleider und selbstgestrickte Lamamotivpullis aus fettiger Schafwolle.
Trank literweise parfümierten Tee aus handgefertigter Keramik, während ein Räucherstäbchen das Kinderzimmer zuqualmte.
Wenn ich den Geruch heute rieche, wird‘s mir schlecht, ich weiß nicht, wie meine Mutter das damals ausgehalten hat.
Kommunismus schien mir ein erstrebenswertes, romantisch-alternatives Staatsmodell zu sein und die Zukunft ein Garten der Selbstverwirklichung.
Ziemlich naiv!
Kein Wunder, dass ich mir in dieser Lebensphase einen eskapistischen Quatsch als Beruf ausgesucht habe.
Na gut, ich habe den Quatsch lange, lange geliebt und eigentlich hoffe ich, dass das noch ein bisschen so bleibt- wenn auch nicht mehr so doll wie am Anfang.
„Halt dich an deiner Liebe fest“ gilt bestimmt nicht nur für Beziehungen, Familie und Freundschaften, und da ist es ja auch nicht immer einfach…
Ich bewundere Leute, die für eine Sache brennen, ihren Sport, Politik, ihren Beruf, aber das ist ein schmaler Grad.
Das muss unbedingt daherkommen mit…Humor? Ehrlichkeit? Gelassenheit?
Besserwisserei, Geltungsbedürfnis, Chauvinismus und Künstlerattitüden finde ich unerträglich.
In zwei Monaten habe ich 42-jähriges Abitreffen, zum zweiten Mal nach dem ersten Treffen nach zwanzig Jahren.
Hoffentlich sind die meisten endlich erwachsen geworden und müssen sich nicht mehr abklopfen, wer in der Challenge, die/der Erfolgreichste, Originellste, Schönste ist.
Manche sind sogar schon in Rente, haben bei einem großen deutschen Autokonzern gearbeitet, fettes Geld verdient und wahrscheinlich eine noch fettere Abfindung bekommen, können jetzt mit Anfang Sechzig nochmal neu durchstarten.
Ziemlich clever!
Bin ich etwas neidisch und eventuell immer noch ein kleines bisschen links?
Ziemlich peinlich!
Ach, jeder hat sein Päckchen zu tragen, hoffentlich gibt es die/der eine oder andere sogar zu.
Vielleicht sind ja sogar einige Hippies dabei- wenigstens innerliche,
wir werden sehen.
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